Der Hamburger Senat hat angekündigt, den
Öffentlichen Dienst in Hamburg „resilient“
gegen „verfassungsfeindliche Personen“ machen
zu wollen. In diesem Zusammenhang wurden Gesetzesänderungen im Hamburgischen
Disziplinargesetz und im Hamburgischen Personalvertretungsgesetz
(HmbPersVG) beschlossen.
Zudem wird im Koalitionsvertrag die Wiedereinführung
einer „Regelanfrage“ an den Verfassungsschutz
vor Eintritt in den Öffentlichen Dienst angekündigt.
Beide Aspekte haben potenziell nicht nur Auswirkungen
auf das Klima an Hamburger Schulen,
sondern beinhalten auch neue—schwierige—Aufgaben
für die schulischen Personalräte.
Deutliche Verschärfung des Disziplinargesetzes
Seit dem 1. April 2025 gilt das neue Disziplinargesetz
in Hamburg. Es sieht vor, dass auch schwerste
Disziplinarmaßnahmen wie die Aberkennung des
Ruhegehalts, sowie die Zurückstufung und die Entfernung
aus dem Beamtenverhältnis allein durch
eine Disziplinarverfügung des Dienstherrn möglich
sind. Bislang galt, dass solche gravierenden Maßnahmen
ausschließlich durch die Gerichte im Rahmen
eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens verhängt
werden konnten. Zudem ist kein Widerspruchsverfahren
für die Betroffenen möglich. Betroffene
müssen also individuell gegen die Disziplinarmaßnahme
vor Gericht ziehen. Nicht die Schuld muss
also vor Gericht durch den Dienstherrn bewiesen
werden, sondern die Unschuld der Betroffenen
(Beweislastumkehr).
Vertreter:innen der Gewerkschaften GEW, GdP
und ver.di hatten gemeinsam mit dem DGB und
dem dbb das Gesetzesvorhaben scharf kritisiert. Sie
sahen darin nicht nur einen unverhältnismäßigen
Eingriff in die Grundsätze des Berufsbeamtentums
(Lebenszeitprinzip) und eine Absenkung der
Schutzrechte für Beamte vor Willkürentscheidungen
(Gefahr des Missbrauchs), sondern beklagten auch
eine absehbare Erschütterung des Vertrauens in den
Dienstherrn und die damit verbundene Verunsicherung
der Beschäftigten.
Mitbestimmungsrechte des Personalrats
Die Gewerkschaften konnten mit ihrer Kritik unter
anderem durchsetzen, dass nun alle Disziplinarverfügungen—
auch solche zu statusverändernden
Maßnahmen—der Mitbestimmung des zuständigen
Personalrats unterliegen. Besonders in nicht
eindeutigen oder strittigen Fällen können damit
im Mitbestimmungsverfahren Entscheidungen
begründet und kritisch diskutiert werden. Die damit
verbundene Änderung im HmbPersVG betrifft § 88 (1) 22. & 22. a. Die Personalräte sind nun nicht
nur in der Mitbestimmung beim Erlass einer Disziplinarverfügung
durch den/die Vorgesetzte, sondern
auch bei der Vorlage eines Disziplinarvorgangs bei
der obersten Dienstbehörde, also dem Personalamt,
beteiligt. Wohlgemerkt handelt es sich hierbei um
die „eingeschränkte“ Mitbestimmung. Die letzte
Entscheidung liegt auch hier beim Dienstherrn, da
ein Spruch der Einigungsstelle nur eine Empfehlung
für den Senat darstellt.
„Waffengleichheit“ ist nicht gegeben!
Das Problem für schulische Personalräte wird in
solchen Fällen absehbar darin bestehen, dass sie in
künftigen Schlichtungs- und Einigungsverfahren
nach HmbPersVG § 88 (1) 22. a) einem nahezu
übermächtig erscheinenden juristischen Gegner
gegenüberstehen. Das Personalamt als oberste
Dienstbehörde mit erfahrenen und versierten
Jurist:innen—möglicherweise unterstützt durch
geheimdienstliche Einschätzungen des Verfassungsschutzes—
steht hier einem juristisch unerfahrenen
ein-, drei- oder fünfköpfigen schulischen Personalrat
gegenüber, der sich für die betroffenen Kolleg:innen
einsetzen will. Um in einem solchen Fall nicht
von vornherein auf verlorenem Posten zu stehen,
braucht ein schulischer Personalrat qualifizierte
Unterstützung. Hier sind die Gewerkschaften gefordert,
entsprechende Schulungen für Personalräte
zu erarbeiten und im Konfliktfall gewerkschaftlich
organisierte Personalräte auch juristisch zu unterstützen.
Regelanfrage—Berufsverbote reloaded?
Angekündigt ist zudem die Wiedereinführung
einer „Regelanfrage“ an den Verfassungsschutz.
Vorgesehen ist konkret, dass vor der Einstellung in
den öffentlichen Dienst, also auch vor dem Beginn
einer Ausbildung, eine Überprüfung durch den
Verfassungsschutz durchgeführt werden soll, und
zwar sowohl bei Tarifbeschäftigten als auch bei
Beamt:innen. Eine weitere Überprüfung soll vor der
Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis erfolgen.
Der Verfassungsschutz würde durch die Einführung
der Regelanfrage de facto in die Rolle einer Gerichtsbarkeit
für die Einstellung in den öffentlichen Dienst
kommen. Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz gegen
den angekündigten Widerstand der Gewerkschaften
umgesetzt wird und wie es sich konkret auswirken
würde. Aber es wäre eine Art Neuauflage des „Radikalenerlasses“
aus den 1970ern. Die Einführung des
sogenannten „Radikalenerlasses“ liegt jetzt 53 Jahre zurück. Wer damals im öffentlichen Dienst arbeiten
wollte, wurde vom Inlandsgeheimdienst jahrelang
auf „Verfassungstreue“ überprüft. Lagen Zweifel
vor, folgten „Anhörungen“. Heute geht man davon
aus, dass insgesamt 3,5 Millionen Menschen vom
Verfassungsschutz überprüft wurden. 11.000 Berufsverbotsverfahren
wurden geführt. Es kam zu 1.250
Nichteinstellungen, 2.200 Disziplinarverfahren von
bereits Beschäftigten und 260 Entlassungen. In der
Praxis richteten sich die Verfahren fast ausschließlich
gegen politisch links eingestellte Menschen. Die
Hamburgische Bürgerschaft urteilte 2018, „dass die
Umsetzung des Radikalenerlasses ein unrühmliches
Kapitel in der Geschichte Hamburgs darstellt, das ausdrücklich
bedauert wird“.
Zu befürchten ist, dass die Kombination aus der
Verschärfung des Disziplinargesetzes und der Wiedereinführung
der Regelanfrage zu einem Klima der
Verunsicherung und des Misstrauens in den Schulen
führt.