Arbeitszeiterfassung an Schulen: Erforderlich und nützlich!

Arbeitszeiterfassung an Schulen: Erforderlich und nützlich! 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Arbeitgeber in den Mitgliedstaaten der EU schon 2019 verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der Arbeitszeit einzuführen. Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im September 2022 entschieden, dass die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes bereits gilt. Zudem unterliegt das „Wie“ der Arbeitszeiterfassung (AZE) laut BAG der Mitbestimmung der Betriebs- und Personalräte.  

In Hamburg – wie auch in den anderen Bundesländern – sind diese Urteile im Schulbereich nach wie vor nicht umgesetzt. Aus verschiedenen Gründen kommt nun aber Bewegung in das Thema, und mit Bremen und Berlin beginnt die Front der Ablehnung gegen die AZE in den ersten Bundesländern zu bröckeln. 

Die Behörde für Schule, Familie und Berufsbildung (BSFB) in Hamburg spielt bisher auf Zeit und erklärt kategorisch, eine AZE in Schulen sei nicht geplant, da sie weder erforderlich noch praktisch möglich sei. In der Antwort auf eine schriftliche Kleine Anfrage in der Bürgerschaft vom November 20241 antwortete der Senat,  

  1. eine Erfassung der Arbeitszeit der Hamburger Lehrkräfte sei gar nicht exakt möglich, weil ein großer Teil der Arbeitszeit von den Lehrkräften weitgehend frei gestaltet werden könne.  
  2.  Außerdem bestehe trotz der einschlägigen Urteile kein Handlungsbedarf für die BSFB, weil in der zugrunde liegenden EU-Arbeitszeitrichtlinie Ausnahmen ermöglicht würden. 
  3. Zudem gebe es noch kein Bundesgesetz, das die Länder zur Arbeitszeiterfassung zwinge.  

BSFB-Argumente gegen eine Arbeitszeiterfassung halten einer Überprüfung nicht stand 

  1. Richtig ist, dass ein relevanter Teil der Arbeitszeit nur unter Mitwirkung der Lehrkräfte selbst ermittelt werden kann. Das stellt aber kein Problem dar. Laut dem OVG Lüneburg (2015) sind „Selbstaufschreibungen“ ein geeignetes und legitimes Instrument der Dokumentation. Auch die außerhalb der Schule, insbesondere zu Hause verbrachten Arbeitszeiten, sind messbar durch Selbstaufzeichnungen nach den vom Dienstherrn vorgegebenen Regeln. Auch in anderen Branchen mit „Vertrauensarbeitszeit“ ist ein solches Verfahren üblich.  
  2. Ausnahmen nach der EU-Arbeitsschutzrichtlinie können auf nationaler Ebene festgelegt werden, wenn die Tätigkeit nicht gemessen oder im Voraus festgelegt werden kann. Dies trifft für die Lehrkräftearbeitszeit aber nicht zu! (s. o.) Die Umsetzung des EuGH-Urteils ist auch für die verbeamteten Lehrkräfte unmittelbar relevant, soweit keine Bereichsausnahme durch den Gesetzgeber vorgenommen wird. Eine theoretisch mögliche Bereichsausnahme kann jedoch nur auf Bundesebene durch ein Gesetz erfolgen, nicht durch eine Behörde auf Landesebene! Die Kultusministerkonferenz hat im Sommer 2023 eine Bereichsausnahme für den schulischen Bereich beim Bundesarbeitsministerium (BMAS) beantragt, die das BMAS jedoch abschlägig beschieden hat. 
  3. In der Tat gibt es noch kein direktes Bundesgesetz. Dennoch ist unter Juristen unumstritten: Das BAG-Urteil löst unmittelbaren Handlungsdruck bei den Arbeitgebern aus und gilt bis zur gesetzlichen Neuregelung faktisch wie ein Gesetz. Die angekündigte Novellierung des Arbeitszeitgesetzes auf Bundesebene soll nur zur Schaffung von Rechtsklarheit für die Arbeitgeber dienen und ist keine Voraussetzung zur Einführung der Arbeitszeiterfassung. 

Die Position der BSFB zur Arbeitszeiterfassung ist aus Sicht des GPR nicht haltbar. Der GPR sieht sich in der Mitbestimmung über das „Wie“, also die Ausgestaltung einer Erfassung der Arbeitszeit. Das „Ob“ ist de facto durch die einschlägigen Urteile entschieden.  

Arbeitszeiterfassung an Schulen: Starten statt warten! 

Die Arbeitszeiterfassung ist Teil des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der Beschäftigten. Die Zuständigkeit und Verantwortung für den Arbeitsschutz der verbeamteten wie der tarifbeschäftigten Lehrkräfte und anderer Schulbeschäftigter in Hamburg liegt bei der BSFB! Der Verantwortung darf sie sich aus den oben genannten Gründen weder durch Verweis auf andere Bundesländer noch durch den Verweis auf den Bundesgesetzgeber entziehen. 

Der GPR wird sich für eine objektive, einheitlich zugängliche und verlässliche Arbeitszeiterfassung für alle Schulen des öffentlichen Dienstes einsetzen. Dabei wird aus Sicht der GPR zentral zu beachten sein: 

  • Erfasst werden ausschließlich Beginn und Ende der Arbeitszeit und die Pausenzeiten. 
  • Der Schulalltag mit seinen besonderen Herausforderungen (z. B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf) muss berücksichtigt werden. 
  • Leistungs- und Verhaltenskontrollen sind ausgeschlossen. 
  • Personalräte brauchen uneingeschränkten Einblick in die Systeme, damit sie ihre Aufgaben erfüllen und Kolleg:innen beraten können. 
  • An jeder Dienststelle müssen Arbeitszeitbeauftragte eingerichtet werden. 

Die Zwischenergebnisse der Hamburger Arbeitszeitstudie der Gewerkschaft GEW zeigen, dass eine überwältigende Mehrheit der Hamburger Lehrkräfte (74 %) eine einfache und dauerhafte Erfassung der Arbeitszeit unterstützt.  

Liebe BSFB, die Arbeitszeiterfassung ist ein Gebot der Stunde!  

Fußnoten

1 Drucksache 22/16742: Pflicht zur Arbeitszeiterfassung und Lehrerarbeitszeitverordnung